Zur aktuellen Unterbringung von Geflüchteten und zum aktuellen Sachstand der geplanten Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge (LEA) im Gebiet Schanzacker/Tammerfeld in Ludwigsburg

Grundsatzrede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Herrmann im Gemeinderat Ludwigsburg am 29.03.2023

Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir von der CDU-Fraktion stehen der LEA an diesem Standort äußerst distanziert gegenüber. Wir haben große Bedenken zum Standort.

Zunächst einmal, mit einer kleinen Ausnahme, sind bisher alle Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen in Bestandsgebäuden errichtet worden. Jetzt soll auf der grünen Wiese gebaut werden. Aber ich möchte die Probleme, die jetzt hier entstanden sind, etwas breiter fassen und auch allgemeinpolitisch einiges ansprechen.

Wir haben eine humanitäre Verpflichtung. Der kommen wir in Deutschland seit 2015 weltweit vorbildlich nach. Aber allein ist das nicht zu schaffen. Wir brauchen eine europaweite Lösung. Im letzten Jahr hatten wir ein Rekordhoch bei Flüchtlingen nach Deutschland, nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus anderen Ländern wie Syrien, Afghanistan und anderen Drittländern.

Wir nehmen allein in Baden-Württemberg mehr Flüchtlinge auf, als ganz Frankreich. Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht. Wir schaffen es auf Dauer nicht mehr, die Flüchtlinge bei uns unterzubringen. In der Vergangenheit wurden Fehler gemacht, auch von CDU-Regierungen. Der Satz von Frau Merkel „wir schaffen das“, war ein großer Fehler. Darauf will ich ausdrücklich hinweisen. Aber was die jetzige Bundesregierung macht, verschlimmert das noch um ein vielfaches.

Man schafft falsche Anreize und verstärkt damit den Zuzug nach Deutschland. Der Rechtskreiswechsel bei den Ukraine-Flüchtlingen ist ein Fehler. Jetzt denkt man in einigen Kreisen darüber nach, diesen Rechtskreiswechsel auf andere Drittländer auszudehnen. Dann ist klar, dass viele nach Deutschland kommen wollen. Wenn Innenministerin Faeser sagt: die Kommunen sollen Unterbringungsmöglichkeiten auf Vorrat bauen und Plätze vorhalten, wird das weltweit im Netz gezeigt. Dann ist das geradezu eine Einladung, nach Deutschland zu kommen. Ich verstehe auch nicht, wie man im Bundestag im November letzten Jahres sagen kann: wir haben kein Problem bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Ich verstehe auch nicht, warum die Abgeordneten der Grünen im Landtag und Bundestag aus unserem Landkreis die Einrichtung der LEA als eine gute Nachricht bezeichnen. So steht es in der LKZ am 18. März 2023.

Wir wollten auch nicht, dass wir dem Bündnis „Sichere Häfen“ beitreten, wie das Asperg und die Mehrheit im Ludwigsburger Gemeinderat gemacht haben. Wir bemängeln auch, dass der Bund die Flüchtlinge nicht angemessen verteilt. Wo viele Menschen leben, kommen noch mehr dazu. Woanders stehen Wohnungen leer. Die Bundesregierung ignoriert die Probleme der Kommunen mit der Unterbringung von Flüchtlingen. Im Herbst letzten Jahres haben sich die Vertreter der Kommunen sehr kritisch gegenüber dem Bund geäußert. Wir sind auch unserem Landrat Dietmar Allgaier sehr dankbar, dass er sich diesbezüglich klar positioniert und an den Bundeskanzler geschrieben hat.

Wir sind auch Ihnen, Herr Dr. Knecht, sehr dankbar, dass sie sich am Freitag letzter Woche in einem Interview in der Stuttgarter Zeitung sehr klar geäußert haben. Sie haben gesagt: „Aber jetzt spüren die Menschen, dass eine Grenze erreicht ist, da müssen wir auch Stopp sagen dürfen. Da ist nicht nur die Sorge vor einer Einrichtung mit Tausend Menschen, sondern auch die vor einer gesellschaftlichen Überforderung.“ Auch Ihre Äußerungen heute zur Gesamtsituation halten wir für richtig. Wir haben auch an das Land die dringende Bitte, dass man sieht: das Land besteht nicht nur aus Ludwigsburg, Böblingen und dem Enzkreis. Das Land ist größer. Wir haben den Eindruck, dass man bei dem Standort im Gebiet Schanzacker einfach die landeseigene Fläche gesehen hat und nicht, wie die konkrete Situation vor Ort ist. Das soll jetzt eine Prüfung durch das Finanzministerium ergeben. Wir erwarten, dass die Bedenken, die Sorgen und die Anliegen der Ludwigsburger, der Asperger und Tammer Bürger ernst genommen und konkret bewertet werden.

Jetzt zu dem konkreten Standort. Ich habe gesagt: wir haben berechtigte Bedenken. Die Erschließung ist völlig offen. Wasser, Abwasser, Strom, Straßenbrücken müssen gebaut werden. Die Verkehrsbelastung der ohnehin stark befahrenen Ortsdurchfahrten steigt weiter. Insbesondere in Asperg und in Tamm. Wir haben völliges Verständnis für die Asperger und die Tammer. Im hochverdichteten Raum wird eine der wenigen Grünflächen geopfert.

Wir brauchen in Ludwigsburg Flächen für Wohnungsbau, Gewerbe und Naherholung. Wir sehen keine leerstehenden Gebäude in der Stadt, die infrage kommen. Viele Menschen wollen in die Mitte der Region Stuttgart, aber nicht alle können nach Ludwigsburg kommen. Das sagen wir schon lange, wenn es um den Wohnungsbau geht. Im Jahr 2009 haben wir über ein Gewerbegebiet im Schanzacker beraten. Wir waren als CDU zunächst offen. Wir haben dann aber, nach Abwägung vieler Argumente – pro und contra – uns dann dafür ausgesprochen, dass das Gebiet Schanzacker ein regionaler Grünzug wird. Uns wundert da schon, wenn wir von der Grünen Landtagsabgeordneten in der LKZ am 1. März 2023 lesen: [...] „jedoch geht es nicht um ein interkommunales Industriegebiet, eine Kultur- oder Sportfläche, die Raum einnehmen soll. Es geht um eine aktive, humanitäre Hilfe, zu der wir verpflichtet sind und die nun eingefordert wird.“ Man kann nicht 2009 für den Landschaftsschutz ein Gewerbegebiet ablehnen, aber 2023 im gleichen Gebiet einer LEA zustimmen. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Dann haben Sie das LEA-Privileg angesprochen, d.h., dass die Flüchtlinge, die in der LEA sind, angerechnet werden. Die werden auf den Landkreis angerechnet und der wird dann die Kommunen entsprechend entlasten. Das gilt allerdings für alle Kommunen im Landkreis. Der Landkreis besteht nicht nur aus Ludwigsburg, Asperg und Tamm. Die sind am meisten zu entlasten, das ist überhaupt keine Frage, aber es werden nicht nur diese drei Kommunen sein.

Dann zu dem Artikel in der Ludwigsburger Kreiszeitung vom 28. März 2023, wo die Folgen einer LEA für die Sicherheit angesprochen worden sind. Ich bin der Ludwigsburger Kreiszeitung ausdrücklich dankbar, dass dieses Thema öffentlich angesprochen wurde, auch wenn manche die Meinung vertreten, man dürfe das Thema nicht ansprechen. Das Sicherheitsempfinden in den Städten, in denen es eine LEA gibt, hat gelitten. Aber wenn man den Beitrag genau liest, dann erkennt man auch, dass die Kriminalität in Ellwangen zunächst von 2014 auf 2015 angestiegen ist, aber in den letzten Jahren durch viele präventive und polizeiliche Maßnahmen wieder den Stand wie 2014, also vor Einrichtung der LEA., erreicht hat. Deshalb ist es dringend notwendig, dass in allen Einrichtungen und in den betroffenen Kommunen eine bessere Ausstattung der Polizei erfolgt. Das ist notwendig, damit es nicht so ist wie in Ellwangen, wo es zunächst einen Anstieg der Kriminalität gab. Erst dann zu reagieren, um die Situation wieder auf ein Normalmaß zurückzuführen, ist falsch. Man muss mit Inbetriebnahme einer LEA die Sicherheit der Bevölkerung mit berücksichtigen. Wenn es irgendwo Ausschreitungen gibt, wie 2018 in Ellwangen, dann erwarte ich auch, dass sich die Politik vor die Polizei stellt und nicht deren ohnehin schwere Arbeit kritisiert.

Herr Oberbürgermeister Dr. Knecht, Sie haben eine Reihe von Forderungen aufgestellt, die neben der Tauglichkeit des Standortes aus Ihrer Sicht wichtig sind. Die Ellwanger LEA muss weiter betrieben werden. Ich verstehe sowieso nicht, warum man 2015 so einen Vertrag abgeschlossen hat, der nur für kurze Zeit gedacht war. Ergebnisoffen prüfen: Holzbauweise, Baumpflanzungen, Einbettung von Sicherheit und Ordnung, sind vom Land zu regeln. Alle drei Kommunen sollen davon profitieren. Das sind für uns mindeste und selbstverständliche Forderungen. Bei der Wertung der Tauglichkeit des Standortes und der Standortprüfung Schanzacker durch das Finanzministerium erwarten wir, dass Ihre Forderungen und auch die anderen, die ich formuliert habe, alle mit einbezogen werden.

Abschließend: Wir wissen, dass wir aufgrund der enormen Fluchtbewegungen vor großen Aufgaben stehen. Wir werden weiterhin, im Rahmen unserer rechtlichen Verpflichtungen und unserer Möglichkeiten, vor Ort schutzsuchenden Menschen helfen. In Ludwigsburg haben wir das getan. Sie, Herr Dr. Knecht, haben eben ausgeführt: 1.548 Geflüchtete sind zurzeit in Ludwigsburg. Wir setzen auf ein System der dezentralen Unterbringung. Der frühere Erste Bürgermeister Konrad Seigfried ist heute auch als Zuhörer unter uns. Er hat dieses System immer zurecht vertreten. Andere Kommunen haben große Einheiten. Wir haben über 70 Unterbringungseinheiten in Ludwigsburg, das ist eine große Zahl. Bisher konnte in Ludwigsburg, vor allem auch dank der Unterstützung des Arbeitskreises Asyl und vieler anderer Bürger, eine gute Integrationsarbeit geleistet werden. Wir sollten diese Unterstützung und Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung durch eine Überforderung nicht aufs Spiel setzen.

Wir haben die Gründe für unsere Haltung dargelegt und sehen aufgrund dessen das Land in der Pflicht, insbesondere das Finanzministerium, das mit der Prüfung beauftragt ist, diese Gründe ernst zu nehmen. Ministerpräsident Kretschmann sagt ja immer wieder, dass er die Bürgermeinung hört und ernst nimmt. Jetzt ist der Ministerpräsident am Zug, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen.